Thursday, October 05, 2006

vollmondmeisterin



ganz tief hinten im hof der meister leuchtet nur noch ein fenster und man sieht nur ihren gebeugten rücken und kleine, ringförmige objekte auf dem tisch, an denen sie arbeitet und nicht aufsieht. so spät noch. am nächsten morgen werde ich ihr das foto zeigen und fragen, ob ich es löschen soll -
aber das ist eine andere geschichte...

into the deep blue

caucasian lavatory

nachgetragen zum schwarzen schaf

was wir hatten ohne sonderzeichen:

vorspeisen:

phali (spinach with walnut, garlic & coriander) und
lobbio pasteet (bean paste with garlic & parsley)

hauptgerichte:

kanasaslokk (chicken kebab) und
hatsapuri spinatiga & bronza juustu kaste (hatshapuri with spinach & bronza cheese sauce)

dessert:

sidruni syllabub (lemon syllabub) und
praetud suluguni juust pohlakasttiega (roasted georgian cheese with "cowberry" sauce) und
idamaine kohv (oriential coffee) und
armeenia liivatee (armenian thyme tee) und
zwei tsatsa (georgian grape wodka - isjaklar)

das alles für 687 estnische kronen, umgerechnet ungefähr peinliche 45 euro: hier gibt es auch die speisekarte.

das schwarze schaf in tallinn






schwarze schafe üben solidarität, jedenfalls sofern sie früher zwangsweise zum sowjetimperium gehörten. und so erklärt sich die existenz eines kaukasischen restaurants in tallinn: der besitzer, ein este, hatte vor fünfundzwanzig jahren seinen dienst in der sowjetarmee zu leisten und befreundete sich dort mit menschen, die das ebenso wenig zu schätzen wußten wie er. die freundschaft zu einem georgier und einem armenier hält seitdem an, sie lieferten die rezepte für das must lammas.

aber das alles erfahren wir erst ganz am schluß, beim wodka (wodka paßt zu allem! sprach fish), nach diesem wunderbaren essen, serviert von dieser wunderschönen kellnerin, die all unsere fragen geduldig beantwortet und sich dabei immerzu für ihr sehr gutes englisch entschuldigt.

auf dem gang zur toilette (nie mehr ohne kamera - sie werden sehen!) fiel mir ein, daß die existenz eines kaukasischen restaurants in estlands hauptstadt geschichtlich völlig logisch ist - in den russischen restaurants rund um den marktplatz sitzen nur touristen. aber ich wollte es doch genauer wissen, und darum fragten wir die schöne estin ganz am schluß, beim wodka.

entschuldigten uns für unsere neugier. völlig überflüssig, weil ihre antwort ganz ungehemmt und mit charmant-grimmigen nationalstolz und sehr umfassend war. und sie sofort zur aktuellen weltpolitik überging: ihr neuer präsident (estland hatte gerade einen neuen präsidenten bekommen) würde gerade jetzt (sie sagte tatsächlich: just now) mit dem georgischen präsidenten zusammenarbeiten und nach einer lösung suchen, den georgiern zu helfen.

(am späten abend dann im hotelfernseher sah ich in den estnischen spätnachrichten bilder eines in estland gelandeten transportflugzeuges, dem georgier entstiegen, in empfang genommen von estnischen helfern, in einer notunterkunft mit allem versorgt werdend. und ich reimte mir zusammen, daß die esten den georgiern helfen, nach hause zu kommen, da putin alle direktflüge nach georgien abgeschafft hatte. also flog man nun wohl als georgier, der in russland lebt und arbeitet, via estland nach hause.)

essen bildet, besonders, wenn es schmeckt. und by the way: ich bin ja eher mit sog. armer küche zu beeindrucken, die aus wiederum sogenannten einfachen und billigen zutaten schönes essen hervorbringt - zu rein artifiziellen dekorationsübungen laß ich mich ausschließlich einladen.

was hier im must lammas aus bohnen, spinat, kartoffeln und einheimischen beeren auf den tisch gestellt wird, ist aller ehren wert - die preise dafür beschämend niedrig, aber darum (hoffentlich!) auch von esten zu bezahlen.

must lammas
restoran
sauna 2
tallinn
www.mustlammas.ee

ps: estnische küche hat für vegetarier kaum etwas zu bieten - kaukasische küche macht sie glücklich!

pps: dem schwarzen schaf gegenüber in der gasse, die tatsächlich sauna heißt, befindet sich das schwule zentrum tallinns, welches an donnerstagabenden gegen zehn uhr aber noch freundlich vor sich hin döst...

tapas & vino



ich bin nicht mäkelig. schon gar nicht angesichts von bemalten holzdecken, deren balken ungefähr 500 jahre alt sind und in höchstens zwanzig zentimenter breiten abständen voneinander liegen. und ich bin kein statiker, aber ich kann mir vorstellen, welche last an gebunkerten waren dort über mir in der ersten etage auf diesen balken lag, balken, die auf bis zu einsfünfzich dicken außenmauern ruhen. und ich bin sehr zufrieden, wenn ich in einer dieser tiefen fensterleibungen an einem tisch sitzen kann, auf die schon früh dunkle straße gucke, auf der die estninnen mit much more higher heels über das kopfsteinpflaster auf zehenspitzen - na, sagen wir laufen, und ich einen rotwein trinken kann. ich bin überhaupt nicht mäkelig, es schert mich einen dreck, daß die tapas alle aus der dose kommen, er schert mich nicht im geringsten, daß die auswahl an spanischen weinen ein witz ist, die italienischen und französischen endprodukte alkoholischer gärung bei weitem nicht so viel charakter zeigen, wie der sie ausschenkende este, ich bin ganz zufrieden, daß ich hier rauchen darf und - ich gehe ab jetzt nicht mehr ohne kamera aufs klo!

tapas & vino
suur-karja 4
tallinn
www.tapas.ee
(achtung: flash! aber entzückend.)

die stadt ist eine festung



eine festung, von mauer und wachtürmen umgeben, und die eindringlinge werden von drachen gefressen. aber was nützt es, der belagerung standzuhalten, wenn einem die vorräte von den ratten aufgefressen werden? die katzen von tallinn sind also geachtete festungsbewohner:

and here there be dragons too


es gibt jugendstil in tallinn, nicht viel, und ich weiß nicht mehr, in welcher straße. fast der ganze rest ist mittelalter.

häßlicher ausflug

am morgen mutig einen ausflug aus der altstadt gewagt in richtung potsdamer platz - äh, nein - "stadtzentrum". so steht es auf unserem stadtplan. ja, richtig, das stadtzentrum ist nicht die altstadt, das stadtzentrum ist eine hölle aus kleinen, heruntergekommenen, ehemals schönen holzhäusern nach russischer art, grauen wohnblöcken russischer art, die noch niemals schön waren, und völlig austauschbarer investorarchitektur der postpostpostmodernst-beschissenen sorte. dies alles auf jeden fall vollkommen zusammenhanglos verteilt und absolut grauenhaft.

emporio armani is coming - russische wir-bekommen-hier-nur-den-untersten-mindestlohn-arbeiter kratzen gerade die ankündigungsfolie von mehreren riesenschaufenstern ab. on first floor der shopping mall üben schlaksige esten gehen auf einem catwalk, angetrieben von einer hysterischen trainerin/agenturinhaberin/lehrerin, die in ihr headsetmikrofonwasauchimmer brüllt.

flucht in den buchladen oben neben dem parkdeck: schöne junge menschen sitzen an laptops - wifi ist hier überall -, lesen estnische, russische, englische oder französische bücher und sehen nicht nach investorarmanishoppingmall aus -

in estland gedrucktes, deutschsprachiges buch über baltische geschichte erbeutet und dann: flucht in die altstadt, rückzug in die festung des weltkulturerbes, zurück in die artgerechte haltung! keine fotos...